Noch vor kurzem hatten viele von uns die Vorstellung, dass Homeoffice eine Arbeitsform für privilegierte sei. Wer in der Vergangenheit 1-2 Tage die Woche von zu Hause arbeiten durfte, schien mit einem Traumarbeitgeber oder einem Traumjob gesegnet.
Nach nun überstandener Hochphase der ersten weltweiten Corona-Pandemie dürfte bei vielen etwas Ernüchterung eingetroffen sein. Nachdem ein großer Anteil der deutschen Bevölkerung unvorbereitet und von jetzt auf gleich zur Heimarbeit gewechselt ist, stehen die meisten dieser Arbeitsweise nun skeptischer gegenüber als vorher.
Und plötzlich Homeoffice
Während man vor Corona noch überwiegend an die positiven Seiten der Heimarbeit gedacht hat, kommen in Gesprächen unter Kollegen und Bekannten jetzt neben den positiven auch die negativen Seiten durch. Natürlich nicht immer und nicht bei jedem, aber es dürfte klar geworden sein, dass Homeoffice gut geplant und organisiert werden muss. Angefangen bei der eigenen Einstellung bis hin zur Raumausstattung und zur Technik.
Ein Irrglaube, dass man in den eigenen vier Wänden automatisch produktiver und stressfreier arbeitet als im Büro – in gewohnter Arbeitsatmosphäre. Häufig kommt die Einsicht, dass der private PC langsam ist, sobald er nicht nur für Facebook oder Netflix genutzt wird, dass der heimische Schreibtischstuhl dem teuren Bürostuhl ebenfalls nicht das Wasser reichen kann und die Ablenkung von außen auch größer ist, als vorher vermutet. Andererseits spart man die Zeit für den Arbeitsweg und schafft es, in der Mittagspause etwas im Haushalt zu erledigen, was sonst meist bis zum Wochenende liegen bleibt.
Wir haben uns ein paar Erfahrungsberichte angeschaut und zusammengetragen, welche Vor- und Nachteile Homeoffice bereithalten kann.
1. Der Arbeitsplatz
Da viele von uns aus Platzgründen zu Hause keinen Arbeitsraum oder Arbeitsplatz haben, kann die Heimarbeit schnell zum Fluch werden. Und manchmal wiederrum ist der Bereich vorhanden und doch leider im Laufe der Zeit zur Abstellfläche umfunktioniert worden. Das heißt, will man dort arbeiten, dann muss erst einmal eine große Aufräumaktion gestartet werden, ehe man mit der eigentlichen Arbeit beginnen kann. Sitzt man dann Stunden später auf dem alten Schreibtischstuhl aus Kindertagen, kommt auch schnell die Einsicht, dass man im Vorfeld viele kleine Problemchen nicht bedacht hat. Gerade wenn man von jetzt auf gleich ins Homeoffice geschickt wird, muss man sich vorerst provisorisch einrichten.
Natürlich gibt es auch Vorteile:
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- Der heimische Kaffee aus der Lieblingstasse schmeckt immer noch am besten und dazu gibt es diesen unbegrenzt
- Die eigene Musik-Playlist während der Arbeit hören zu können kann einem selbst dann auch schonmal unerwartet wie himmlischer Gesang vorkommen
- Kein steifes sitzen am Arbeitsplatz. Da es keine guckenden Arbeitskollegen und Vorgesetzte gibt, muss man auch nicht mehr stark auf die eigene Körperhaltung achten. Aber Achtung: Was anfangs super ist, kann aufgrund der vernachlässigten Körperhaltung zu schmerzhaften Verspannungen im Nacken und Rücken führen.
Jeder von uns hat eine ganz eigene, persönliche Vorstellung eines perfekten Arbeitsplatzes. Alles was Produktivität und Motivation fördert sollte legitim sein und jede Art von Ablenkung sollte so weit wie möglich vermieden werden.
2. Die sozialen Kontakte
Sich mit Kollegen austauschen zu können kann sehr erfrischend und gewinnbringend sein. Nicht nur weil man auf diesem Wege an Informationen kommt, die man über das Unternehmen nicht so schnell oder gar nicht erhalten hätte, sondern auch, weil man oft mit Menschen zusammenarbeitet, mit denen man sich im Privatleben nicht zusammengetan hätte. Diese Kombination aus abwechslungsreichen halb beruflichen und halb privaten Gesprächen können Gold wert sein, weil sie den eigenen Horizont erweitern und die Stimmung aufhellen können.
Im Homeoffice fallen diese Gespräche weg. Generell werden die Kommunikationswege auf einmal sehr lang und langsam. Es kann auch schonmal vorkommen, dass man mehrere Tage keine Antwort auf eine Mail erhält oder das geplante Videomeeting nicht stattfindet und es dadurch keine neuen Informationen über neue Pläne etc. gibt. Gerade wenn das Homeoffice neu ist, muss man sich erstmal Wege suchen, wie man auf dem Laufenden bleibt und auch seine Informationen effektiv unter seinen Mitarbeitern streut.
Regelmäßige Anrufe oder Videochats helfen den Kontakt untereinander und das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen weiterhin zu erhalten.
3. Die Arbeitsweise
Während man sich für den Gang ins Büro routiniert etwas gepflegtes anzieht, sich seine Tagesverpflegung einpackt und klare Zeiten und Tagesabläufe hat, muss man das alles erst für die neue, ganz persönliche Routine daheim erarbeiten.
Anfangs herrscht Unsicherheit, was man anziehen soll. Die Verlockung in bequemer Kleidung zu bleiben ist hoch. Aber wieso eigentlich nicht? Wenn nicht gerade ein Videomeeting bevorsteht, wieso nicht etwas Bequemes tragen?
Neue Freiheiten können zu Beginn Unentschlossenheit und Stress bringen, ehe sie zu einem Vorteil werden und sich zu einer Regelmäßigkeit entwickeln.
Ändert sich das Arbeitsumfeld, müssen nun mal viele neue Entscheidungen getroffen werden. Auch das neue Arbeitstempo muss sich erst einspielen.
Wer in der neuen Umgebung nur langsam in den Arbeitstag starten kann, hängt die unproduktive Zeit oftmals aus dem schlechten Gewissen heraus hinten dran. Wer das nach den ersten Tagen nicht schnell in den Griff bekommt, riskiert dauerhaft schwindende Grenzen zwischen den Arbeitszeiten und den Pausenzeiten, was langfristig zu einer Überarbeitung führen kann.
Eine schnelle Einführung von neuen oder alten Routinen kann innerliche Unruhen fernhalten.
4. Die Arbeitsleistung
Was im Büro die vielen Anrufe und Kollegen sind, die ständig hineinkommen, sind es Zuhause die vielen Nebenaufgaben, die zu Ablenkung führen können. Die Versuchung doch schnell noch etwas im Haushalt zu erledigen oder kurz etwas einkaufen zu gehen ist stark. Hier ist Selbstdisziplin gefragt.
Mitbewohner oder die Familie können auch große Störfaktoren sein. Nebengeräusche im Haus werden plötzlich ganz anders wahrgenommen als in der Freizeit. Eine Liste mit den Störfaktoren zu erstellen kann helfen sie ins Bewusstsein zu rufen, um sie nach und nach zu beseitigen.
Hat man seinen eigenen Arbeitsbereich und halten sich die Mitbewohner daran, unnötige Störungen während der Arbeitszeit zu vermeiden, kann Arbeiten im Homeoffice natürlich je nach zu erledigenden Aufgaben durchaus produktiv sein.
5. Der Arbeitsweg
Eines der größten Vorteile der Heimarbeit ist es, dass man je nach Fall sehr viel Pendlerzeit sparen kann und auch manchmal hohe damit verbundene Kosten für die Beförderung. Andersherum ist für einige das morgendliche Pendeln der Zeitraum, um vor Arbeitsbeginn gemütlich wach zu werden. Andere nutzen die Zeit, um im Zug die Zeitung oder ein gutes Buch zu lesen, in Ruhe private E-Mails zu prüfen oder um in den sozialen Netzwerken zu bummeln. Durchaus kann das Pendeln Lebensqualität für manch einen sein. Andere wiederum haben sehr stressige Arbeitswege. Die Wahrnehmungen unterscheiden sich stark. Was für den einen ein Vorteil ist, kann für den anderen ein Nachteil sein.
Wir sind uns jedoch bestimmt einig, dass ein späteres Aufstehen nur von Vorteil sein kann.
Fazit
Die einen mögen die Heimarbeit, die anderen nicht. Das Homeoffice hat wie alles im Leben Vor- und Nachteile. Ein kurzfristiges Umspringen bringt vielen aber nur Chaos und Unruhe. Ein sinnvoller Wechsel erfolgt geplant, stufenweise und auch nur für diejenigen, die sich dazu bereit erklären. Optimal läuft es für den Arbeitnehmer, wenn dieser die freie Wahl erhält.
Wer sich fürs Homeoffice entscheidet, kann langfristig betrachtet zu sehr vielen neuen Freiheiten gelangen. Dazu muss dieser selbstständig dafür sorgen, dass die optimalen Bedingungen erfüllt werden, wie zum Beispiel die benötigte Technik und Ausstattung vom Arbeitgeber einfordern. Auch ein hohes Maß an Selbstdisziplin ist Grundvoraussetzung für die Arbeit in den eigenen vier Wänden.
Im Großen und Ganzen ist es nach der Corona Krise wahrscheinlicher geworden, dass in Deutschland zukünftig mehr Homeoffice Tage vergeben werden.